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Arbeiterwohnhäuser
in
Plöcking1
ZU DEN BILDERN
Die enorme Bautätigkeit während der zweiten Hälfte des
19Jhdts. forcierte den Abbau von Granit. Mit der
Vereinigung
zahlreicher Steinbruchbetriebe in den neugegründete
Aktiengesellschaften sollte auch die Steingewinnung
und -verarbeitung eine umfassende Mechanisierung
durch den Einsatz moderner Maschinen und
Betriebseinrichtungen erfahren. Für die Steinmetzen in
den Plöckinger Brüchen
signalisierte der Erwerb der
Herrschaft Neuhaus durch die
Familie Planck von
Planckburg im
Jahre 1868 den Aufbruch ins
Industriezeitalter.
Eduard Planck von Planckburg übernahm mehrere Steinbrüche in Plöcking und vereinigte sie in der Neuhauser
Granitstein-Gewerkschaft A. u. E. Planck. Während die
Steinbrüche mit zeitgemäßen Hebe- und
Transporteinrichtungen
(Feldbahn 1870-72), dampfbetriebenen
Bohrgeräten ausgestattet wurden, sah sich
Planck veranlasst, Wohnraum in der Nähe der Brüche für
die rasch
anwachsende Arbeiterschaft bereitzustellen.
Zur Unterbringung der Arbeiterschaft
wurden zunächst
die mit den Steinbrüchen angekauften Häuser
Kronbauernhaus, Plöcking l, Unteraichinger,
Plöcking
2 und das Schlagerhaus, Plöcking 3 zu
Arbeiterwohnhäusern
ausgebaut. Unteraichinger, Plöcking 2 diente
außerdem als Meierhof zur Bearbeitung der
landwirtschaftlich genutzten Flächen der Häuser Plöcking
1-3.
In den Jahren 1869 bis 1872 beauftragte Planck
den
St.Martiner Maurermeister Mathias Weixelbaumer
mit
der Planung und Durchführung dieses Vorhabens.2
Das größte Bauvorhaben betraf jedoch die
Errichtung
des "Neugebäudes" in Plöcking, eines
Arbeiterwohnhauses, das neu gebaut und in Form eines den
urbanen Industriezentren
nachempfundenen Gebäudetypus ausgeführt wurde. Erste
Entwürfe für den Arbeiterwohnbau
legte Weixelbaumer im Februar 1870 vor.
Das "Neugebäude" in Plöcking wurde derart
konzipiert,
dass jeder Arbeiterfamilie eine eigene
abgeschlossene
Wohnung zugestanden wurde, und zwar bestehend aus
einem einzigen Zimmer mit Kochnische, das gleichzeitig
als Aufenthalts- und Schlafraum diente. Vorbild war
nicht das Bauernhaus mit seinen
gemeinschaftlichen
Aufenthalts- und Kochräumen, sondern das
städtische
Mietshaus, was sicher für die Entwicklung der
Formen
der Arbeiter-Haushalte und Arbeiterfamilien von
entscheidender
Bedeutung war.
Allerdings stellt sich im konkreten Fall des "Neugebäudes"
die Frage nach der tatsächlichen Unterbringung
von Arbeiterfamilien. Denn in der ersten Fassung
seines Planes für ein zweigeschossiges
Arbeiter-Wohnhaus
stattete der Maurermeister die Zimmer gleich mit 6
Betten aus.3 Bei
einer Zimmergröße von 15,20 m2 und
Bettgestellen im Ausmaß von
180x90 cm blieb den Bewohnern
zur Unterbringung anderer Möbelstücke und
für ihre Bewegungsfreiheit nur mehr 5.50 m2 übrig. Dieser
Plan mag uns heute eine Hinweis auf die erste Bewohnerschaft
und die tatsächlichen sozialen Absichten des
Bauherrn sein. Das Arbeiterwohnhaus sollte vorwiegend
ledigen und ausschließlich männlichen Arbeits- und
Hilfskräften eher als Schlafquartier denn als Wohnhaus
bereitgestellt werden.1872
war das Gebäude bezugsfertig.4
Baubeschreibung:
Die Wohnanlage besteht aus 3 an ihren Stirnseiten
aneinandergereihten
Baukörpern, die mit hölzernen Stiegenaufgängen verbunden
sind. In der Mitte erhebt sich ein dreigeschossiger Bau
mit einem Satteldach. Links und
rechts schließen sich kleinere Gebäude an, die
kürzer
und zweigeschossig ausgeführt sind. Die Fassade
des
Mitteltrakts weist im LOG acht, im 2.OG durch die
Wohnungszugänge sechs Achsen auf. Die verputzte
Fassade
lässt zahlreiche bauliche Veränderungen (Fenster-
und Türschließungen) erkennen, die infolge der
Wohnraum Zusammenlegungen erfolgt sind. Die Erschließung
der Wohnungen im LOG erfolgt
über offene Außenstiegen
und Holzgänge, die auf wuchtigen Granitkonsolen
ruhen. Die Zugänge zu den Dachräumen in den
beiden Seitentrakten sowie zu
dem 2.OG des Mitteltraktes sind in den
überdachten hölzernen Verbindungstreppen
untergebracht. Zunächst waren auch die Dachböden der
Seitentrakte als Schlafstellen für Steinbrucharbeiter
genutzt worden. Die ursprünglich vorhandenen
Gaupen zur Belichtung der
Dachräume sind im Zuge des
Umbaues während des 2.Weltkrieges verschwunden.
Das nicht unterkellerte Neugebäude wurde als
massives Vollziegel-Mauerwerk ausgeführt. Die Ziegel zum
Bau des Wohnhauses wurden in der nur wenige hundert Meter
von der Baustelle entfernten Lehmgrube geschlagen
und in dem ebenfalls dort im Besitz von Planck
befindlichen Ziegelofen gebrannt. Das Dach war
ursprünglich mit Holzschindeln gedeckt, heute mit
Eternit-Rhomben. Die Fassade ist verputzt und geschlämmt
und weist keinerlei
Dekor auf.
Im Mühlviertel stellt diese Bauform des
durch die Additive
Aneinanderreihung von Wohnräumen gleichen Ausmaßes
charakterisierten Fabriksarbeiter-Wohnhauses einen
sehr seltenen, ja geradezu atypischen Baubestand
dar. Das Neugebäude ist baulicher Ausdruck der Euphorie
einer im industriellen Aufschwung fiebernden Epoche,
deren Visionen selbst den Aufbau großindustrieller
Unternehmen um die Granitsteinbrüche von Plöcking zu
rechtfertigen schien. Die
Errichtung des insgesamt 48
Wohneinheiten sowie
Schlafstellen in den ausgebauten
Dachräumen für die ledigen
Steinbrucharbeiter beherbergenden Neugebäudes repräsentiert jene Phase der
Industrialisierung, als die
Unternehmer bestrebt waren,
eine Stammbelegschaft an das
Werk zu binden. In diesen Werkswohnungen lag letztlich
der Beginn des zu
dieser Zeit noch ausschließlich auf
Unternehmerinitiative
beruhenden - sozialen Wohnbaus. Immerhin waren 1870
an die 60.000 von insgesamt
rund 350.000 in der Großindustrie
Österreich-Ungarns beschäftigten Arbeitern in
derartigen Werksquartieren untergebracht.
Eine Abänderung der Wohnsituation brachte die
vermutlich
erst während des Zweiten Weltkrieges erfolgte Zusammenlegung
von Schlafräumen zu Zwei-Zimmer-Wohnungen.5
Damals erfolgte die Neueindeckung der Satteldächer mit
Eternit-Platten, außerdem wurden die beiden den
Mitteltrakt flankierenden Stiegenhäuser mit
den jeweils vier Toiletten entfernt, so das
seither der
Charakter von drei aneinandergereihten
Wohnhäusern
besteht. Die sanitären Einrichtungen lagen nun außerhalb
des Wohnhauses, weiterhin gab es keine
Wasser-Entnahmestelle im Gebäude.
Abgesehen von der Verdoppelung der Wohnungsgrößen
hatte sich für die Bewohner des "Neugebäudes"
eigentlich kaum etwas verbessert. Nach wie vor
beherbergte das Wohnhaus Steinmetzen und
Steinbrucharbeiter, die mit Frau und Kindern oder
alleine hier hausten. Durch
die nicht sehr lange Lebenserwartung der
Steinbrucharbeiter nahmen die Witwen (Wohnrecht) und
Hinterbliebenen einen
beständig zunehmenden Anteil an der Bewohnerschaft
ein. Einer jahrhundertealten Tradition folgend, war es auch bei den Steinmetzen üblich, dass die
Söhne den Vätern in der
Ausübung des Handwerks nachfolgten.
Dieser Sachverhalt erfuhr im Zuge der Hochindustrialisierung
durch die weitgehende Mechanisierung bei
gleichzeitiger Verdrängung der traditionellen
qualifizierten Handarbeit eine wesentliche Veränderung
mit
nachhaltigen sozialen Auswirkungen. Als die Jungen sich
weigerten, die als
minderwertig bezeichneten Arbeiten in den Steinbrüchen
aufzunehmen und dank des Wirtschaftswunders der späten
fünfziger und sechziger Jahre ihren Lebensunterhalt
unter anderen Umständen zu
verdienen wussten, setzte eine Abwanderung ein, die wiederum die
Witwen zurückließ. Mit dem Tode von Eduard Planck von
Planckburg ging der
Besitz Neuhaus und damit auch die Arbeiterwohnhäuser am
1.5.1918 an die Familie Plappart über. 1997 wurden diese im Zuge eines Wohnbauprojektes im Zentrum
des Granitdorfes an die GWB verkauft.
1
Auszug aus: Stadier, Gerhard A.:
Arbeiterwohnhaus "Neugebäude",
Industriearchäologisches Gutachten im Auftrage
des BDA,Linz-Wien
1996
2
Archiv Schloß Neuhaus: Baupläne
3
Archiv Schloß Neuhaus: Grund und
Profilplan 1870
4
Archiv Schloß Neuhaus: Neuhaus a/d Donau
1872
5
Archiv Schloß Neuhaus: Plankopie 1941/43
Quelle:
STAINBRUCH Plekhing & In der Zell
Wolfgang Strasser und Sepp Stummer/1998
Anmerkung:
Am 10. Dezember
2007 erfolgte die Schlüsselübergabe an die neuen
Bewohner.
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